Zahnloser Gegenentwurf schliesst über 90 Prozent der Tiere aus
ZÜRICH – Der Verein «Ja zur Initiative gegen Massentierhaltung» begrüsst, dass der Bundesrat den Wunsch der Schweizer Bevölkerung nach einer stärkeren Berücksichtigung des Tierwohls wahrnimmt. In seiner Botschaft zum direkten Gegenentwurf klammert der Bundesrat jedoch mehrere zentrale Forderungen der Initiative aus und verwehrt fast allen betroffenen Tieren die eigens ausformulierten Tierwohlansprüche. Der Gegenentwurf sieht des Weiteren auch keine Einschränkungen der Importe vor und schwächt so die Konkurrenzfähigkeit der inländischen Bäuerinnen und Bauern. Er ist als Alternative zur Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» untauglich.
Die Initiant:innen begrüssen die Bereitschaft des Bundesrates, «den Schutz und das Wohlergehen der Tiere» in die Verfassung aufzunehmen. Dies ist eine symbolische Anerkennung der Bedeutung, die die Schweizer Bevölkerung dem Wohlergehen und der Würde der Tiere beimisst. Unverständlich ist jedoch die Behauptung, die Tierschutzgesetzgebung würde Massentierhaltung bereits heute verbieten. Entgegen den Ausführungen des Bundesrates lässt die geltende Gesetzgebung sehr wohl Formen der Intensivhaltung zu. Deshalb ist es auch unverzichtbar, die Gruppengrössen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu reduzieren – so, wie es die Initiative fordert.
Besonders besorgniserregend ist es, dass der Bundesrat den allergrössten Teil der Tiere bereits im Vorhinein von den neuen Regelungen ausschliessen will. Im Wortlaut schreibt er: «Weiter ist das RAUS-Programm bei der Mastgeflügelhaltung nur umsetzbar, wenn entsprechende Weiden in Stallnähe sind, da Geflügel nicht wie Rinder auf eine Weide getrieben werden kann. Auch müssten für RAUS andere Rassen verwendet werden, weil eine längere Lebensspanne der Tiere gefordert wird. Für Mastgeflügel soll das RAUS-Programm deshalb nicht verbindlich sein.» Diese Formulierung schliesst jährlich über 75 Millionen Tiere von den strengeren Tierwohl-Richtlinien aus. Philipp Ryf, Co-Kampagnenleiter der Initiative, meint dazu: «Der Gegenentwurf des Bundesrates disqualifiziert sich spätestens mit seinen Ausnahmeregelungen. Richtlinien, die für über 90 Prozent der betroffenen Tiere nicht verbindlich sind, können kaum als ernsthafte Alternative zur Initiative betrachtet werden.»
Wie der Bundesrat in seiner Botschaft anerkennt, hätte die Initiative einen positiven Effekt auf die Umwelt und würde damit zu den Umweltzielen des Bundes beitragen. Im Gegensatz dazu kommt der Bundesrat selbst zum Schluss, dass der Gegenentwurf negative Auswirkungen auf die Umwelt hätte. Das liegt aus Sicht der Initiant:innen nicht zuletzt auch daran, dass der Gegenentwurf keinerlei Importvorschriften enthält. Bei einer Umsetzung des Gegenentwurfs müssten Bäuerinnen und Bauern weiter mit ausländischen Produkten konkurrieren, während ihre eigenen Produktionskosten einseitig erhöht würden. Der Ansatz des Bundesrates, auf die Regulierung durch den freien Markt zu vertrauen, ist deshalb nicht vertretbar.
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